Wir leben in einer Zeit individueller Probleme. Körperliche Krankheiten, psychische Störungen, Armut, Einsamkeit und all die anderen Plagen in unserem Leben werden im Allgemeinen als unmittelbar dem Menschen anhaftende Probleme behandelt, die einer individuellen Lösung bedürfen. Genau diese Art von Individualismus ist Teil unserer kollektiven Krankheit.
Wir fördern weder die individuelle Kreativität und die Ausdrucksmöglichkeiten der Menschen, noch schaffen wir den Raum, um ein wirklich vielfältiges und innovatives Leben führen zu können. Die meisten von uns sind dazu gezwungen, von einem Tag auf den anderen so weiterzumachen. Vollkommen egal ob uns das überhaupt passt oder nicht.
Der moderne westliche Individualismus ist eine schädliche Sache. Es ist eine individuelle Identität durch Markenwahl. Es ist der Kult des Egoismus und der Glaube, daß andere Menschen mit ihren Problemen selbst fertig werden sollen. Es ist der Verlust der Fähigkeit einander zu helfen und sich selbst helfen zu lassen. Es ist eine Wertschätzung der Trennung, des Mangels an Mitgefühl und des Mangels an Empathie. Wir klammern uns schützend und besitzergreifend an uns selbst, weil so viele von uns an nichts anderem mehr festhalten können.
Alles ändert sich wenn wir uns und alles was wir wahrnehmen als eine vernetzte Lebenseinheit betrachten. Wenn wir unseren Platz in Landschaften, Ahnenreihen, Ökosystemen, Gemeinschaften und Kultur erkennen sehen wir, welche Macht wir haben um anderen zu helfen und sie zu unterstützen. Genau in der gleichen Art und Weise wie auch uns geholfen wird und wir Unterstützung erfahren. Keiner von uns existiert isoliert. Dennoch sind viele von uns in eigenen und fremden Geschichten gefangen die uns das Gefühl geben, isoliert zu sein. Wenn wir glauben, daß wir alles alleine tun müssen und daß uns niemand helfen kann, werden wir keine Hilfe in unserem Leben zulassen. Dann werden wir auch nichts anderes tun, als uns nur um uns selbst zu kümmern.
Gemeinschaften sind viel mehr als die Summe ihrer Teile
Gemeinsam koordinierte Handlungen bringen weit mehr als viele einzelne Bemühungen. Viele der Probleme mit denen wir konfrontiert sind, sind im Kollektiv entstanden und können nicht durch individuelle Maßnahmen gelöst werden. Psychische Probleme sind hier ein typisches Beispiel. Die meisten von uns werden nicht von alleine krank. Wir werden krank durch Stress und Armut, durch Schlafmangel und Überarbeitung, durch Prüfungsdruck und wirtschaftliche Unsicherheit. Wir werden krank aus Mangel an Bewegung, aus Mangel an Freizeit und angemessener Ruhe. Wir werden krank aus Mangel an Bäumen und sanften Grünflächen. Wir verlieren unser Selbstwertgefühl durch Missbrauch und Mobbing. Wir verlieren unsere Hoffnung angesichts von Politikern, denen nur Geld am Herzen liegt. Wir schauen auf den Zustand der Welt und sind besorgt. Es ist fast unmöglich, sich von diesen Zuständen allein zu heilen.
In Gemeinschaften entsteht die Fähigkeit der Anpassung. Wenn wir von echten Gemeinschaften reden sprechen wir von Menschen geschaffene Räume, in denen sich Menschen bemühen miteinander in Kontakt zu treten um sich gegenseitig zu unterstützen. Räume, in denen Respekt eine Selbstverständlichkeit und Zusammenarbeit die natürliche Ordnung der Dinge sind. Ein Raum, wo nicht die lautesten Stimmen dominieren. Einen Raum wie diesen zu schaffen ist eine radikale Handlung. So viele unserer Räume werden von Menschen dominiert die bereits viel zu viel Macht haben. Wenn aggressive, wettbewerbsorientierte Ansätze die Norm sind, dann werden viele Menschen verdrängt. Wenn soziale Räume geschaffen werden um jenen zu dienen die bereits Gesundheit und Wohlstand haben, werden die anderen ausgeschlossen. Wir brauchen jetzt eine maximale Einbeziehung. Wir müssen genau hinsehen, wer durch Ausgrenzung nicht mit an unseren Tischen sitzt, oder erst gar nicht zur Tür herein kommt.
Es gibt leider immer noch zu viele Gruppen und Gemeinschaften die bei auftretenden Konflikten entscheiden, daß es nicht ihre Verantwortung ist zu klären was die Mitglieder einander antun. Es gibt immer noch Heiden welche die Idee vertreten, daß Nichtstun eine moralische Überlegenheit darstellt. Fordere den Mobber nicht heraus. Frag nicht, was passiert ist. Schau nicht hin. Mache diese Angelegenheit nicht zu deiner Sache. Eines steht fest. So sieht eine moralische Überlegenheit wirklich nicht aus. Auf dieser Basis ist es nicht möglich, eine belastbare Gemeinschaft aufzubauen. Wenn es Konflikte gibt müssen wir uns das genau ansehen, wie sich das auf uns alle auswirkt.
Wir brauchen Vermittlung und Diskussion. Wir brauchen eine neue Art der Gesprächskultur. Wir brauchen die Befragung und Unterstützung der Menschen, die Hilfe brauchen. Wir brauchen auch unbedingt Raum für Menschen ihre Fehler einzugestehen, sich zu entschuldigen, zu lernen und weiterzumachen. Es braucht eine Gemeinschaft um diese Art von Raum aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen, daß es funktioniert.
Gute Beziehungen erfordern Anstrengung. Sie verlangen, daß du Zeit und Arbeit in diese einbringst und dich ausreichend darum kümmerst. Selbstzufriedenheit baut keine Gemeinschaften auf. Um einander zu helfen müssen wir die sozialen Modelle, wie sie uns in den Medien zum Beispiel in Seifenopern präsentiert werden, vollkommen ablegen. Die in so vielen öffentlichen Räumen praktizierte “Wer zahlt schafft an” Einstellung muss aufgegeben werden. Wir müssen offenherzig miteinander umgehen. Wir müssen dazu bereit sein, einander entgegen zu kommen. Wir müssen dazu bereit sein, zu helfen, zuzuhören und uns einzubringen um etwas Reales zu schaffen. Gemeinschaften ist das was wir aufbauen, wenn wir uns genug darum kümmern und wenn wir ineinander investieren. Beim Aufbau von Gemeinschaften schaffen wir Ressourcen zur gegenseitigen Unterstützung, Mittel zum Teilen und Mittel zur gegenseitigen Hilfe.
Wir bereichern unser Leben und werden in vielerlei Hinsicht widerstandsfähiger.
QUELLE: Textauszug aus dem Buch Druidentum Heute. Das Buch kann als Druckversion oder als EPUB direkt über den Verlag bestellt werden.