Der Martinstag, auch bekannt als St. Martins Tag, ist ein jährlicher Feiertag, der am 11. November gefeiert wird.
Dieser Tag hat eine faszinierende Geschichte, die auf sowohl christliche als auch heidnische Traditionen zurückgeht. Während viele Menschen den Martinstag heute mit dem Teilen von Martinigans und Laternenumzügen in Verbindung bringen, hat er tiefe keltische Wurzeln und wurde auch in anderen Kulturen gefeiert.
Die keltischen Wurzeln des Martinstags
In Irland wird der 11. November als Lunantshees gefeiert und ist den Wächtern des Schwarzdorns gewidmet, den Baumgeistern, die in den dichten Schlehdornhecken lebten. Diese Wächter des Waldes wurden von den Kelten verehrt und galten als schützende Geister der Natur. Der 11. November markierte auch den offiziellen Beginn des Winters im keltischen Kalender.
Für die Kelten war dies eine Zeit des Übergangs, da die letzten großen Märkte um diesen Termin herum abgehalten wurden, bevor die Winterpause begann. Es war eine Zeit der Ernte, in der die Menschen ihre Vorräte für die kalte Jahreszeit sammelten und sich auf die ruhigere Zeit vorbereiteten.
Die Schlehe – der Schwarzdorn
In der keltischen Kultur und Mythologie war die Schlehe oder der Schwarzdorn ein Busch von besonderer Bedeutung. Dieses Heckengehölz wurde mit verschiedenen Aspekten der Natur und der spirituellen Welt in Verbindung gebracht. In der keltischen Tradition wurde der Schwarzdorn oft mit Schutz und magischen Eigenschaften assoziiert. Der Baum galt als eine Art Schutzschild gegen böse Geister und negative Energien. Es wurde angenommen, dass der Schwarzdorn in der Lage war, das Zuhause oder den Bereich, in dem er gepflanzt wurde, vor unerwünschten Einflüssen zu schützen.
Der Schwarzdorn wurde oft als Tor zur Anderswelt angesehen. In keltischen Mythen und Legenden wurde er als Teil der Hecken und Wälder beschrieben, in denen sich die Anderswelt verbarg. Es war an diesen Orten, dass sich Feen, Elfen und andere übernatürliche Wesen versteckten und von denen aus sie mit der physischen Welt interagieren.
Die Früchte des Schwarzdorns, die als Schlehen bekannt sind, spielen auch eine Rolle in der keltischen Symbolik. Sie wurden manchmal als Fruchtbarkeitssymbole angesehen. In einigen Kulturen wurden die Blüten und Früchte des Schwarzdorns in Liebeszaubern verwendet, um die Fruchtbarkeit zu fördern. Die im Herbst nach dem ersten Frost genießbaren Früchte wurden zu Mus gekocht und aufs Brot gestrichen oder zu Schlehenwein verarbeitet.
In einigen keltischen Regionen wurden Schwarzdornzweige bei besonderen Ritualen und Feiern verwendet. Sie wurden in den Boden gesteckt, um eine heilige Verbindung zur Natur und den spirituellen Welten herzustellen. Oder sie wurden über den Stall genagelt, um die Hoftiere vor Schabernack der Andersweltlichen zu schützen. Die Schlehe in ihrer Blütenpracht symbolisiert das Licht und das Leben, während die schwarzen Zweige gleichsam für den Tod stehen. Aufgrund dieser zwischenweltlichen Lage des Baumes zeigt er die Göttin in ihrer freundlichen und ernährenden Art, als auch gleichzeitig die schwarze Hexengöttin.
Deshalb gibt es so viele Geschichten, Mythen und Legenden, wo der Schwarzdorn als Wohnort für Feen und Elfen beschrieben wird, während er in anderen Geschichten als Symbol für Schutz und magische Kräfte diente. Auf jeden Fall wurde die Schlehe in der keltischen Kultur schon immer als ein Busch von spiritueller und magischer Bedeutung angesehen. Er wurde mit Schutz, der Anderswelt und der Förderung von Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht.
Sankt Martin: Eine Verbindung von Christentum und Heidentum
Der Martinstag, wie wir ihn heute kennen, hat eine starke Verbindung zum christlichen Heiligen Martin von Tours. Dieser Heilige, ein römischer Soldat, wurde bekannt für seine Großzügigkeit und Nächstenliebe, als er seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte. Dieses Ereignis führte zur Legende des barmherzigen Martin.
Es wird angenommen, dass die christliche Kirche den Martinstag bewusst auf den 11. November legte, um das ältere keltische Fest zu überlagern und die Bekehrung der heidnischen Bevölkerung zu erleichtern. Tatsächlich gibt es viele Parallelen zwischen den keltischen und germanischen Bräuchen des Herbstes und des beginnenden Winters und dem christlichen Martinstag.
Bräuche und Traditionen zum Martinstag
Eine der Traditionen des Martinstags, die auf keltische und germanische Fruchtbarkeitsbräuche zurückgeht, ist das Opfern eines Tieres, normalerweise einer Gans, um die Erde oder die Gemarkung zu weihen. Diese Praxis hat starke Parallelen zu den alten Ritualen der Fruchtbarkeit, bei denen Tiere geopfert wurden, um eine gute Ernte zu sichern. Die Tradition des Gänsebratens am Martinstag kann auf das traditionelle herbstliche Schlachten zurückgeführt werden. Die Germanen aßen traditionell Gänse als Teil ihrer Winterrituale, da die Rufe der Wildgänse, die in diesen Tagen umherzogen, sehr an die Wilde Jagd erinnerten. Mit der Christianisierung wurde die Wodansgans durch die Martinsgans ersetzt.
Die Martinsgans wurde nicht nur gegessen, sondern auch als Zahlungsmittel verwendet. Besonders auf dem Land, wo das Bauernjahr um diese Zeit endete, spielte die Gans eine wichtige Rolle in den wirtschaftlichen Transaktionen.
Ein weiterer interessanter Brauch am Martinstag ist das Backen von Weckmann oder Piepenkerl aus Hefeteig. Sie werden als Ernteopfer betrachtet und sollen auf alte germanische Sonnenbrote zurückgehen. Diese Brote wurden geopfert, um eine gute Ernte im nächsten Jahr zu erbitten und die Sonnenenergie zu bewahren. Das Backen von Gebildbroten wie den oben genannten Weckmann oder Piepenkerl ist eher in späteren europäischen Traditionen verwurzelt und hat im Laufe der Zeit verschiedene kulturelle Bedeutungen angenommen.
Die Buttnmandln, auch bekannt als Krampus oder Knecht Ruprecht, sind wild aussehende Gestalten, die oft in Begleitung des Heiligen Martin auftreten. Sie sind typischerweise in Fell und Pelze gehüllt, tragen Masken und schellen laut. Diese Figuren, auch als Nussmärtel oder Pelzmärtel bekannt, sind in vielen Regionen Europas, insbesondere in den Alpenländern, während der Adventszeit präsent. Sie sollen das Böse vertreiben und sind Teil von traditionellen Nikolausumzügen.
Der Alperer ist eine furchteinflößende Gestalt aus der Alpenregion, die in der Folklore und im Volksglauben bekannt ist. Der Name und die Vorstellung des Alperers variieren in verschiedenen alpinen Gegenden, aber es gibt einige gemeinsame Elemente. Die Figur des Alperers wird oft mit Odin, einer Gestalt aus der nordischen Mythologie, in Verbindung gebracht. Er wird manchmal als Wilder Ochsner oder Wilder Alber bezeichnet. Diese Gestalt wird als eine Art dämonisierte Version von Odin oder als eine düstere Figur angesehen, die mit Sünden und schlechtem Verhalten in Verbindung steht.
Eine verbreitete Vorstellung ist, dass der Alperer die Sünden und Missetaten der Menschen über das Jahr hinweg sammelt und trägt. Am Martinstag begibt sich der Alperer auf eine Reise in die Unterwelt oder die Hölle, um diese Sünden dort abzugeben. Dies wird als eine Art Reinigungsritual angesehen, bei dem die schlechten Taten des vergangenen Jahres buchstäblich abgeladen werden.
Der Alperer (ein Jodler) wird in den Bergen von Österreich und Bayern häufig gesungen. Der Alperer-Jodler kann als kultureller Ausdruck dieser alpinen Tradition verstanden werden. Durch das Singen dieser Lieder wird symbolisch an die Übertragung von Sünden auf den Berggeist und seine reinigende Rolle erinnert. Die Musik und der Jodler werden oft bei lokalen Festen und Veranstaltungen in den Bergen aufgeführt und tragen zur Bewahrung dieser kulturellen Praktiken bei.
Ein Fest mit tiefen Wurzeln
Der Martinstag ist ein Fest, das sowohl christliche als auch heidnische Traditionen vereint. Mit seinen Wurzeln im keltischen Kalender, den heidnischen Fruchtbarkeitsbräuchen und der christlichen Legende des heiligen Martin von Tours ist dieser Tag ein vielschichtiges und faszinierendes Fest.
Die bekannten Bräuche haben oft einen ursprünglichen Bezug zur Bewahrung von Traditionen und zur Feier der Ankunft des Winters. Sie sind auch mit der Idee verbunden, die dunkle Jahreszeit aufzuhellen und die Gemeinschaft zusammenzubringen, indem sie gemeinsame Rituale und Feiern ermöglichen. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Bräuche in verschiedenen Regionen und Kulturen unterschiedlich interpretiert und praktiziert werden können.
Heute wird der Martinstag auf vielfältige Weisen gefeiert, von Laternenumzügen bis hin zum festlichen Gänsebratenessen. Unabhängig von der Art und Weise, wie er zelebriert wird, erinnert der Martinstag an die Bedeutung des Teilens und der Nächstenliebe – eine Tradition, die bis in die keltische Geschichte zurückreicht. Es ist ein Fest, das uns daran erinnert, die Verbindung zur Natur zu schätzen und die Gaben des Herbstes zu teilen.